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Über 1.200 Kilometer am Stück- Whaaaaaaaat?

Frederik Böna bei Paris-Brest-Paris

Na, was war eure längste Radtour so? Frederik Böna war für das Citec-Röltgen-Cycling-Team bei Paris-Brest-Paris (PBP) am Start, dem wohl bekanntesten Brevet weltweit. Doch wer unserer Leser weiß, was ein Brevet ist und dass Paris-Brest-Paris bei den Profis der Vorläufer der Tour de France war?

Am 6. September 1891, also vor 129 Jahren war die Premiere für Paris-Brest-Paris. 206 französische Profis und Amateure nahmen teil und 97 erreichten das Ziel. Der Schnellste war Charles Terront mit einer Zeit von 71:22 Stunden. Die Letzten Finisher benötigten über 240 Stunden. Zum Vergleich, heute sind 90 Stunden für die Randonneure (Langstreckenfahrer) das Maximum.

Das Trikot 2019

Da das Rennen für die damalige Zeit einen enormen Aufwand bedeutete, sollte es nur alle 10 Jahre ausgetragen werden. Aus diesem Grund gab es bis zum letzten Profirennen 1951 auch lediglich 7 Austragungen in 60 Jahren.

Ab 1901 bekam der Hauptsponsor „Le Petit Journal“ Unterstützung von „L’Auto-Vélo“ (später L’Équipe) unter der Leitung von Chefredakteur Henri Desgrange. Durch die Berichterstattung über PBP wurden so viele Zeitungen verkauft, dass die Idee für ein noch viel größeres Rennen geboren wurde – die Tour de France. Ohne PBP hätte es die Tour de France vielleicht nie gegeben. Sieger der Austragung von 1901, bei der erstmals Ausländer am Start waren, wurde übrigens der Italiener Maurice Garin, der 1903 die Premiere der Tour de France gewann.

Die für heute wichtigste Änderung im Reglement wurde 1931 eingeführt. Die Amateure starteten getrennt von den Profis als Audax im geschlossenen Verband. Bei den Amateuren kam das allerdings nicht gut an und so organisierte der Audax Club Parisien für die Amateure erstmals einen Brevet. Damit wurden drei unterschiedliche Veranstaltungen unter dem Namen Paris-Brest-Paris ausgetragen. Nach 1951 ging das Interesse der Profis stark zurück und so wurde der Franzose Maurice Diot der letzte Sieger eines PBP.

Kurzer Film vom letzten Profi-Rennen 1951. Zum betrachten hier klicken.

Nach dem Ende der Profirennen ging das Interesse erst einmal stark zurück. 1961 war mit nur 172 Randonneuren der Tiefpunkt. Nach 1971 wurden die zwei Amateurveranstaltungen dauerhaft getrennt, so wie man es bis heute kennt. Der ACP richtet den Brevet alle vier und die UAF (Union des Audax Françaises) den Audax alle fünf Jahre aus. PBP wurde nun zur Kultveranstaltung der Randonneuren, den Langstreckenfahrer.

Es gab im Laufe der Jahre viele Geschichte um PBP, so nahmen 1975 einige Engländer mit Dreirädern teil, 1979 wurden erstmals Zeitlimits eingeführt. Wer sich für PBP qualifiziert hatte, konnte zwischen 78, 84 und 90 Stunden wählen. Die Startzeiten orientieren sich dabei am gewählten Zeitlimit.

1991 – 100 Jahre Paris-Brest-Paris. Es wurde weitere Änderungen durchgeführt, so wurde der Startort in den Pariser Vorort Guyancourt verlegt du die Zeitnahme erfolgte erstmals mit Magnetkarten.

1995 wurde die Schutzblechpflicht abgeschafft. 1990 starteten beim Brevet 3.573 Randonneure aus 20 Ländern, von denen 2.977 den Brevet das Ziel im Zeitlimit erreichten. Passen dazu wurde die Strecke erstmals komplett ausgeschildert.

2003 waren erstmals mehr Ausländer als Franzosen am Start, darunter der Finne Alpo Kuusisto der die Strecke mit einem Sport-Tretroller absolvierte. Kuusisto erhielt dafür einen Sonderpreis, aber ab 2007 wurde die Teilnahme mit Tretrollern, Inline-Skates und Rollschuhen nicht mehr gestattet. Seit 2011 erfolgt die Zeitnahme mit Transpondern.

2019 nahm Frederik Böna vom Citec-Röltgen-Cycling-Team mit 6.672 weiteren Randonneuren PBP unter die Räder, darunter 681 Aktive aus Deutschland. Über 4.000 Finisher haben für einen Normalradler unvorstellbares geleistet. Schon die Qualifikation ist für die meisten Hobbyradler eher ein Graus. Bevor man sich um einen der Startplätze bewerben kann, muss man seit 1979 Brevets von jeweils mindestens 200, 300, 400 und 600 km in einem Jahr nachweisen können.

Bei PBP sind rund 10.000 Höhenmeter zu bewältigen. Diese verteilen sich auf 360, meist kurze Anstiege. Am 18. August ging es für Frederik um 18:30 Uhr in Paris los, also gleich mal in die Nacht rein. Nach 450 Kilometern am Nachmittag des nächsten Tages war dann die erste Schlafpause bis Mitternacht angesagt. Danach ging es um 1 Uhr nachts weiter nach Brest, dort wurde gefrühstückt, danach ging es zurück Richtung Paris.

Die Strecke 2019.

Nicht nur die Randonneure leisteten Großartiges, ebenso die rund 2.500 Helfer. Sage und schreibe 178 Städte wurden auf der Tour besucht und die Bewohner waren ein Traum. Tag und Nacht wurden die Langstreckenfahrer angefeuert, entlang der Strecke warteten viele Tische mit Getränken, Obst und Keksen vor den Häusern auf die Aktiven. Einfach genial. Nach 750 Kilometern gab es nachmittags die zweite Schlafpause für Frederik. Kurz nach Mitternacht aufstehen und um 1 Uhr ging es wieder weiter auf die letzten 450 Kilometer. Die ist Frederik dann durchgefahren bis ins Ziel, das er ungefähr um 1 Uhr nachts erreichte.

Probleme oder Defekte hatte er zum Glück überhaupt nicht. Nur nachts hat er, wie seine Mitstreiter unter der Kälte gelitten. In der Bretagne hatte es teilweise nur 3 °C – ein Fakt, den Frederik schon etwas unterschätzt hatte. Doch als das Ziel erreicht und ein weiterer Meilenstein gesetzt war, rückte alles Leiden und alle Schmerzen in den Hintergrund.

Die Langstreckenfahrer werden oft von den Renners belächelt. Doch ist die Leistung des durchschnittlichen Lizenzfahrers wirklich besser als die eines Randonneurs?

Es gibt im Radsport für jede Leistungsklasse, für jeden Typ das richtige Angebot. Ob Wanderfahren, RTF, Jedermann, Randonneur oder Lizenzfahrer, der Radsport bietet einiges. Auch wenn wir auf Challenge-Magazin.com nur selten über die Langstreckenfahrer berichten, so ziehen wir oft den Hut vor deren Leistungen.

Chappeau an alle Teilnehmer von Paris-Brest-Paris. Eine klasse Leistung.

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